Die Debatte um die Straßenbenennung auf dem Außengelände des ehem. KZ. Sachsenhausen

Die Debatte um die Straßenbenennung auf dem Außengelände des ehem. KZ. Sachsenhausen

Veranstalter
Orange-Cosmopolitan (Universität Wien)
Ausrichter
Universität Wien
Veranstaltungsort
Online (Zoom)
PLZ
16515
Ort
Oranienburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.12.2021 - 20.12.2021
Von
Henning Schluß, Institut für Bildungswissenschaft, Universität Wien

Eine der Straßen in Oranienburg soll nach Gisela Gneist benannt werden. Mit der Straßenbenennung sollte ihre Tätigkeit als Vorsitzende der AG Lager Sachsenhausen gewürdigt werden. Diese Entscheidung rief internationale Proteste hervor. Die Podiumsdiskussion thematisiert Hintergründe zur Person und Debatte, die bislang kaum berücksichtigt wurden. Auch Intersektionalitätsaspekte spielen eine maßgebliche Rolle.

Die Debatte um die Straßenbenennung auf dem Außengelände des ehem. KZ. Sachsenhausen

Die Debatte um Gisela Gneist - Weitere Perspektiven

Im Juni 2020 hat die Oranienburger Stadtverordnetenversammlung die Benennung von 8 Straßen in einem Neubaugebiet nach für die Stadtgeschichte bedeutsamen Frauen beschlossen. Eine der Straßen soll nach Gisela Gneist benannt werden, die als 15 Jährige verhaftet und im Speziallager Nr. 7 des NKWD inhaftiert wurde. Mit der Straßenbenennung sollte ihre Tätigkeit als Vorsitzende der AG Lager Sachsenhausen gewürdigt werden. Diese Entscheidung rief internationale Proteste insbesondere auch von Angehörigen von ehemaligen Inhaftierten des KZ Sachsenhausen hervor, die den Namen Gisela Gneists als Straßennamen auf einem ehemaligen KZ-Außengelände für untragbar empfinden, zumal nicht wenige Äußerungen und Aktivitäten Gneists eine Abgrenzung zu rechtsextremen Positionen vermissen lassen. Mit einem wissenschaftlichen Gutachten wollte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten daraufhin die Frage klären lassen, ob Gisela Gneist eine geeignete Namensgeberin einer Straße auf ehemaligem KZ-Gelände ist. Anfang Dezember wurde dieses Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin, veröffentlicht. Darin wurden insbesondere die problematischen Aspekte der Gneist-Biographie herausgearbeitet. Dennoch hat es nicht zur einer Klärung des Streites geführt, sondern dieser ist in unverminderter Schärfe wieder entbrannt.

Angesichts der Unversöhnlichkeit der Positionen, in der nun Gutachten mit Gutachten beantwortet wird und die Debatte seit dem eher eskaliert als befriedet wird, ist es an der Zeit, einen Schritt zurückzutreten und die Debatte selbst in den Blick zu nehmen. Dabei fällt auf, dass es zwar um die Benennung von acht Straßen nach Frauen geht, dass weibliche Stimmen allerdings kaum sich zu Wort melden oder gehört werden. Mit Ausnahme der Kultusministerin waren es vor allem (nicht mehr junge) weiße Männer oft mit westdeutschen Herkunftshintergründen, mit akademischen Abschlüssen, in leitenden Positionen als Repräsentanten von machtvollen Institutionen, die in der Diskussion hervortraten. Die Person und Biografie Gneists sowie der zeithistorische Kontext, der schwierige Umgang mit der “doppelten Vergangenheit” von nationalsozialistischem Konzentrationslager und Sowjetischem Speziallager, die auch in der DDR nicht thematisiert wurden, spielte dabei bestenfalls eine nachgeordnete Rolle. Deshalb soll die Podiumsdiskussion die bislang dominanten um weitere, bislang in der Öffentlichkeit nicht oder kaum präsente Perspektiven erweitern.

Anmeldung bitte per E-Mail: henning.schluss@gmail.com

Programm

Die Podiumsteilnehmerinnen:

Dr. Annette Leo ist Historikerin und Publizistin. Dass sie in den 1980ern in der DDR als “freie Journalistin” arbeitete, gehört zu den bemerkenswerten Besonderheiten ihrer Berufsbiographie. Sie hat sich intensiv mit dem Phänomen der “doppelten Vergangenheit” von Gedenkstätten und den Biografien von in von Nationalsozialismus, SBZ und DDR verwickelten Menschen wissenschaftlich auseinandergesetzt und dazu publiziert. Bereits zur Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages “Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit” erarbeitete sie eine Stellungnahme “Zu einem Vergleich des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Sachsenhausen 1937 bis 1945 mit dem sowjetischen Speziallager Sachsenhausen 1945 bis 1950”. Zur gleichen Zeit war sie auch in zahlreichen Debatten um Straßenumbenennungen in Berlin aktiv.

Dr. Maria Nooke ist Soziologin. Ein akademisches Studium konnte sie aufgrund der DDR-Bedingungen, unter denen sie als Gemeindepädagogin in der Evangelischen Kirche arbeitete, erst nach 1990 aufnehmen. Sie baute die Gedenkstätte Berliner Mauer mit auf und war dort wissenschaftliche Mitarbeiterin, seit 2009 stellvertretende Direktorin der Stiftung Berliner Mauer. Von Juli 2013 bis Juni 2017 leitete sie die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde. 2017 wurde sie Brandenburger Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur und ist mit zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen ausgewiesene Expertin für dieses Feld.

Anke Domscheit-Berg (MdB) lebt in Fürstenberg/Havel, am Ort der Gedenkstätte Ravensbrück. In der DDR (Brandenburg) aufgewachsen, engagierte sie sich in der DDR Opposition und wurde von der Stasi überwacht. Sie erwarb Studienabschlüsse in Textilkunst und internationaler Betriebswirtschaft, arbeitete lange in der IT-Branche und anschließend als Publizistin. Seit 2017 ist sie netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Mit Sachsenhausen verbindet sie nicht nur ihr Wahlkreis, sondern auch ihre eigene Familiengeschichte, ihr Onkel war 1944 Wachmann im KZ Sachsenhausen bevor er 1945 an die Front versetzt wurde und fiel, ihr Großvater saß nach dem Krieg jahrelang an gleichem Ort im NKWD Speziallager Nr.7. Die Gründe dafür konnte Domscheit-Berg bisher nicht in Erfahrung bringen.

Ariane Fäscher (MdB) hat den Wahlkreis Oberhavel bei der letzten Bundestagswahl für die SPD direkt gewonnen. Als Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Hohen Neuendorf war sie auch vorher schon mit den geschichtspolitischen Agenden eines Landkreises vertraut, in dem als einzigen in Deutschland zwei der großen ehemaligen Konzentrationslager (Sachsenhausen und Ravensbrück). Geboren in Münster, Abitur in Offenburg zog sie nach einem Studium der Publizistik, Politik und Betriebswirtschaft in Mainz bereits Mitte der 90er-Jahre nach Thüringen und arbeitete dort im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit z.B. bei der Messe Erfurt. Ihr Engagement gegen Rechtsextremismus machte sie zur Mitbegründerin des Aktionsbündnisses Nordbahngemeinden mit Courage.

moderiert wird die Veranstaltung von:

Dr. Andrea Genest ist Leitern der Gedenkstätte Ravensbrück. Sie studierte Politikwissenschaft und Germanistik an der FU in Berlin und promovierte über Antisemitismus in Polen, insbesondere zur Zeit der Volksrepublik. Die doppelte Diktaturvergangenheit markiert die Stationen ihres wissenschaftlichen Arbeitens. So arbeitete sie an den Gedenkstätten Auschwitz-Birkenau, Deutscher Widerstand und Ravensbrück und zuletzt am Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide aber auch an der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde und war von 2005 bis 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.

Kontakt

E-Mail: henning.schluss@gmail.com

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